Journaling gegen das ‚Nichts-Geschafft-Gefühl‘: So machst du unsichtbare Erfolge sichtbar
Letzte Woche hatte ich so einen Moment.
Freitagabend. Ich saß da und dachte: “Was hab ich diese Woche eigentlich gemacht?” Das Gefühl war eindeutig: Nichts. Ich hab nichts geschafft.
Klar, ich war beschäftigt. Tausend Baustellen angefangen. Hier ein bisschen was gemacht, da ein bisschen was. Aber nichts wirklich fertig. Nichts, wo ich sagen konnte: “Das hab ich diese Woche erreicht.”
In meiner Community gibt es ein Freitag-Ritual. Eine Frage, die wir uns gegenseitig stellen: „Wofür feierst du dich diese Woche? Was ist gut gelaufen? Wovon darf mehr kommen?“
Normalerweise liebe ich diese Frage. Aber an diesem Freitag? Nichts. Ich hatte nichts zu schreiben. Weil da war nichts. Nur das Gefühl, irgendwie durchgekommen zu sein, aber ohne echtes Ergebnis.
Ich hab die Frage übersprungen.
Am nächsten Morgen beim Wäsche zusammenlegen habe ich dann noch mal drüber nachgedacht. Und plötzlich fiel mir was auf:
Vielleicht lag es nicht daran, dass ich nichts geschafft hatte. Vielleicht sah ich nur das Falsche.
Also hab ich angefangen, die Woche noch mal durchzugehen. Aber anders. Nicht “Was ist fertig?” sondern “Was ist passiert?”
Und da war plötzlich doch eine ganze Menge.
Warum wir oft das Gefühl haben, nichts zu schaffen
Das Problem ist nicht, dass wir nichts schaffen. Das Problem ist, wie wir “Erfolg” definieren.
Unser Gehirn zählt nur, was sichtbar und abgeschlossen ist.
Ein fertiger Blogpost? Zählt.
Ein abgehaktes Projekt? Zählt.
Eine abgeschlossene To-Do-Liste? Zählt.
Aber alles andere? Unsichtbar.
Die tausend kleinen Entscheidungen, die du jeden Tag triffst. Die emotionale Arbeit, die du leistest. Die Dinge, die du jonglierst, ohne dass jemand es mitbekommt. Das schwierige Gespräch, das du geführt hast. Der Moment, wo du dich durchgerungen hast, obwohl du keine Energie hattest.
Das zählt dein Gehirn nicht.
Und dann gibt es noch diesen fiesen Trick, den unser Gehirn abzieht: den Negativity Bias. Dein Gehirn ist darauf programmiert, auf das zu achten, was nicht funktioniert hat. Was noch offen ist. Was schief gelaufen ist.
Das war evolutionär mal sinnvoll. Heute sorgt es nur dafür, dass du am Ende der Woche denkst: “Ich hab nichts geschafft.”
Obwohl das nicht stimmt.
Was du wirklich schaffst (und nicht siehst)
Lass mich dir zeigen, was ich meine.
Als ich meine Woche noch mal durchgegangen bin – mit einem anderen Fokus – hab ich plötzlich eine ganze Liste gefunden. Dinge, die ich gemacht hatte, aber die ich nicht als “Erfolg” gezählt hatte.
- Ich hatte im Hintergrund am Blog-Konzept gefeilt. Ideen gesammelt und Struktur geschaffen.
- Ich hatte meine Wohnung vom Chaos, weil nach einer Messe so viel Kram hier rum stand, dass es aussah wie nach einem Bombeneinschlag innerhalb von 1,5 Stunden in besuchertauglich transformiert (ohne, dass ich besuch erwartet habe, sondern einfach weil ich mit einer gemütlichen Wohnung ins Wochenende starten wollte)
- Und ich habe für mein Ehrenamt tolle Experimente für den Dienst mit den Kids geplant und mit meinem Team durchgeführt.
Als wenn das nichts ist.
Aber genau so hatte es sich angefühlt. Weil nichts davon auf meiner offiziellen „Das-habe-ich-diese-Woche-geschafft“-Liste stand. Das Blog-Konzept war nicht „fertig“. Die aufgeräumte Wohnung? Selbstverständlich, zählt ja nicht. Das Ehrenamt? Ist ja nicht „richtige Arbeit“.
Siehst du das Muster?
Wir zählen so viele Dinge nicht, weil sie entweder nicht abgeschlossen sind, als selbstverständlich gelten oder nicht in den „offiziellen Arbeitskontext“ passen. Aber jedes dieser Dinge hat Zeit, Energie und Aufwand gekostet. Jedes davon ist eine Leistung.
Und ich bin mir sicher, dir geht es genauso.
Du hast diese Woche vielleicht:
- Ein schwieriges Gespräch geführt, auch wenn es unangenehm war
- Dich durchgerungen etwas zu erledigen, auch wenn du keine Energie hattest
- Tausend kleine Entscheidungen getroffen (was kochen, was priorisieren, wer braucht was)
- Emotional für jemanden da gewesen
- Dich um Dinge gekümmert, die niemand sieht (Mental Load, anyone?)
- An etwas drangeblieben, auch wenn du zwischendurch nicht mehr wusstest, warum
- Dir erlaubt, eine Pause zu machen, obwohl du dich schuldig gefühlt hast
- Etwas Neues ausprobiert, auch wenn es noch nicht perfekt war
- Dich nicht von einem Rückschlag komplett runterziehen lassen
- Einfach weitergefunktioniert, obwohl du eigentlich erschöpft warst
Keins dieser Dinge steht auf einer To-Do-Liste. Aber jedes davon ist eine Leistung.
Und wenn du ehrlich bist: Viele dieser Dinge sind schwerer als das, was auf deiner offiziellen Erfolgsliste steht.
Aber wir zählen sie nicht. Weil sie nicht “fertig” sind. Weil sie nicht sichtbar sind. Weil wir nicht gelernt haben, sie als Erfolg zu sehen.
Die Journaling-Übung: Fokus-Shift
Also, wie machst du diese unsichtbaren Erfolge sichtbar?
Mit einer einfachen Journaling-Übung. Einmal pro Woche. Freitag oder Sonntag. Dauert keine 10 Minuten. Oder auch einfach zwischendurch.
Das Freitag-Ritual:
Nimm dein Journal (oder ein Blatt Papier, egal) und beantworte diese Fragen:
1. Wofür feiere ich mich diese Woche?
Nicht: “Was hab ich abgeschlossen?”
Sondern: “Was hab ich gemacht, auch wenn es schwer war?”
Das kann ALLES sein. Auch kleine Dinge. Auch unsichtbare Dinge.
Beispiele:
- „Ich hab im Hintergrund am Blog-Konzept gearbeitet – auch wenn es noch nicht fertig ist.“
- „Ich hab meine Wohnung in 1,5h vom Chaos befreit – das zählt, auch wenn es selbstverständlich wirkt.“
- “Ich hab mich durchgerungen, auch als ich keine Lust hatte.”
- “Ich hab mir erlaubt, eine Pause zu machen.”
- “Ich hab weitergemacht, auch wenn ich gezweifelt hab.”
2. Was ist gut gelaufen?
Auch wenn es nicht “fertig” ist. Was lief besser als erwartet? Was hat sich leichter angefühlt?
Beispiele:
- „Die Wohnung war schneller aufgeräumt als gedacht.“
- “Ich hatte mehr Energie als letzte Woche.”
- “Das Gespräch war weniger schlimm als gedacht.”
- “Ich hab eine Idee gehabt, die sich gut anfühlt.”
3. Wovon darf mehr kommen?
Was willst du dir merken? Was war gut, auch wenn du es vorher nicht auf dem Schirm hattest?
Beispiele:
- “Mehr Pausen ohne schlechtes Gewissen.”
- “Mehr Gespräche, auch wenn sie unangenehm sind.”
- “Mehr Dinge ausprobieren, ohne sie perfekt machen zu müssen.”
Das war’s. Drei Fragen. Einmal pro Woche.
Kein fancy Layout. Keine perfekte Handschrift. Einfach nur hinschreiben.
So wird’s zur Gewohnheit
Option 1: Fester Wochentag
Jeden Freitag oder Sonntag. Am besten zur gleichen Zeit. Mach dir einen Kaffee oder Tee, setz dich hin, 10 Minuten.
Option 2: Erinnerung im Kalender
Wenn du eher der “Ich brauch ne Erinnerung”-Typ bist: Stell dir einen Termin im Kalender. “Wochenreflexion” oder so. Klingt fancy, ist aber nur: Drei Fragen beantworten.
Option 3: In deiner Community/Mastermind
Wenn du eine Gruppe hast, wo ihr euch austauscht: Macht das zusammen. Stellt euch gegenseitig die Fragen. Das macht es leichter und du siehst, dass andere auch oft das Gefühl haben, “nichts geschafft” zu haben.
Wichtig: Es muss nicht perfekt sein. Manchmal schreibst du drei Seiten. Manchmal drei Sätze. Beides ist okay.
Was sich langfristig verändert
Ich mache das jetzt konsequenter. Und ich merke schon einen Unterschied.
Du siehst mehr von dem, was du leistest.
Nicht nur die großen, fertigen Projekte. Sondern auch die tausend kleinen Dinge, die du jeden Tag machst. Die schwierigen Momente, durch die du dich durchgekämpft hast. Die unsichtbare Arbeit, die du leistest.
Dein Selbstwert steigt.
Weil du merkst: Du schaffst mehr, als du dachtest. Nur auf eine andere Art. Und das ist genauso wertvoll.
Du feierst dich öfter.
Nicht in diesem übertriebenen “Ich bin die Beste”-Way. Sondern einfach: Du erkennst an, was du gemacht hast. Auch wenn es nicht perfekt war. Auch wenn es nicht fertig ist. Auch wenn es niemand außer dir sieht.
Und das Beste: Du trainierst dein Gehirn um.
Anfangs musst du bewusst nach diesen unsichtbaren Erfolgen suchen. Aber je öfter du das machst, desto mehr siehst du sie auch zwischendurch. Nicht erst am Ende der Woche, sondern mittendrin.
Plötzlich merkst du: “Oh, das war gerade schwierig. Und ich hab’s trotzdem gemacht. Nice.”
Das ist kein toxischer Positivity-Bullshit. Das ist einfach: Du lernst, das Richtige zu sehen.
Du schaffst mehr, als du siehst
Zurück zu meinem Freitag.
Als ich am Samstagmorgen meine Woche noch mal durchgegangen bin – mit diesem neuen Fokus – hatte ich plötzlich eine ganze Liste.
Blog-Konzept. Wohnung. Dienstplanung. Und tausend andere kleine Dinge, die ich erst beim Hinschauen gesehen habe.
Keine großen, fertigen Projekte. Aber trotzdem: eine ganze Menge.
Und das obwohl es mir in dieser Woche nicht so gut ging. Ich hatte schlecht geschlafen, war nicht fokussiert, stand neben mir, hatte keine klare Richtung. Und trotzdem: Ich hatte tausend kleine Dinge gemacht.
Das war nicht nichts. Das war verdammt viel.
Aber ich hätte es fast nicht gesehen. Weil ich nach den falschen Dingen gesucht habe.
Also: Wenn du das nächste Mal das Gefühl hast, “Ich hab diese Woche nichts geschafft” – halt mal kurz inne.
Nimm dein Journal. Stell dir die drei Fragen. Und schau noch mal hin.
Ich wette, da ist mehr, als du denkst.
Und jetzt schreib in die Kommentare: Wofür feierst du dich diese Woche?
